02.07.2025
Ich werde im Folgenden beispielhaft Szenen aus Familienbetrieben schildern, die typisch sind, sich so oder in ähnlichem Gewand zeigen. Sehr oft geht es bei den Beteiligten um innere Konflikte, wieweit die „Passung“ mit den Notwendigkeiten im Unternehmen gegeben sei. 

 

Ist das mein Eigentliches? 

An dem Tag, der sein Leben verändern wird, nimmt Georg seine Freundin in die Arbeit mit. 

Er hat sie darum gebeten, er braucht sie, das spürt er. 

Er hatte Susanne bei seiner Ausstellung vor einigen Jahren kennengelernt und sie hatten sich in ein Gespräch über ihre künstlerischen Interessen vertieft. Neben seiner kaufmännischen Ausbildung hatte er begonnen, Skulpturen aus Bronze zu fertigen, und war auch bereits erfolgreich damit – dies alles neben seinem „Brotberuf“ im Hotelbetrieb seiner Eltern. Schon immer hatte er bei den Gästen ausgeholfen und war der Junior, der den Betrieb übernehmen wird. Das war auch wichtiger Teil seiner Identität geworden und er tat es jetzt nicht widerwillig - vor 2 Jahren war er als Assistent der Geschäftsführung eingestiegen. Auch war er nicht ungern bei den Gästen - er mochte die Gespräche und organisierte, wenn sie was brauchten. Bei Marketing- und  Personalfragen – wie viele in der Branche plagte die Personalknappheit – versuchte er mit seiner Kenntnis der Social Media Werbung zu punkten. Bzgl. Personal sollte natürlich auch was bei den Arbeitszeiten und den weiteren Arbeitsbedingungen geändert werden; er hatte mit den Eltern diskutiert, aber sie wollten davon nichts hören. 

Über Umwege war er zu seiner künstlerischen Arbeit gekommen und er spürte dabei Freude und Motivation. Ein Freund hatte ihm Techniken in der Metallbearbeitung gezeigt und mehr und mehr hatte er verfeinert. 

„Ein Hobby, mehr nicht,“ so sein Vater, „brotlos; und dabei kannst du diesen schönen Betrieb weiterführen“. 

Und heute: der Vater hatte ihn zum Gespräch geholt, in dem es wahrscheinlich um eine Entscheidung gehen würde, voraussichtlich mit dem ganzen Unverständnis, sollte er als Nachfolger das Angebot nicht begeistert annehmen. Dabei machte er sich´s bestimmt nicht leicht. Er liebte seine Eltern und schätzte, was sie erarbeitet hatten, mit wieviel Einsatz und auch Verzicht dies gelungen war. Von klein auf hatte er das mitbekommen, wenn halt z.B. der Wunsch der Gäste wichtiger war als der geplante Familienausflug. Er mochte auch die Stammgäste, die ihn von klein auf kannten und mit denen ein freundschaftliches Verhältnis entstanden war. 

Doch das Gestalten, sich Ausdrücken im Künstlerischen war seine Leidenschaft geworden. 

„Bin ich echt in dem, was ich gelebt habe?“ würde er sich dann fragen, später einmal, "oder habe ich mir und den anderen etwas vorgemacht und habe an mir vorbeigelebt. Wer bin ich eigentlich?“ Diese verzweifelte Frage quälte ihn. 

Susanne bot ihm Halt und unterstützte ihn bei seiner künstlerischen Arbeit. „Wenn dir was am Herzen liegt, dann musst du es beschützen,“ sagte sie, „und du musst den Mut haben, das zu leben.“ 

 

Ja, das stimmte und gleichzeitig spürte er die Loyalität zur Familie, zur Tradition. 

Wenn er beides wohl kombinieren könnte? Er sah bei den Eltern, wie umfangreich die Arbeiten im Haus waren, wie spät es täglich wurde und auch das wollte er nicht mehr. 

Mit Susanne konnte er dabei jedoch nicht rechnen. Sie hätte kein Talent für Gäste, meinte sie, das wäre zu viel und außerdem hatte sie ihren Weg als Journalistin und Autorin eingeschlagen, hatte bereits einen Preis gewonnen und ihr Tun war anerkannt. „Ohne Frau an deiner Seite wirst du das nicht schaffen“, hatte seine Mutter ihre Bedenken geäußert. 

Was sollte er bloß heute dem Vater sagen? 




Was mich an Familienunternehmen interessiert?
12.06.2025
 

Die unternehmerische Kraft der Familienbetriebe ist evident: Mehr als die Hälfte der Unternehmen in Österreich sind familiengeführte Unternehmen, d.h. die Mehrheit der Entscheidungsrechte im Unternehmen sind im Besetz einer Familie (Gründer: in, Kinder, Erben:in, Erwerber: in) und mindestens ein Vertreter: in der Familie oder der Angehörigen an ist an der Leitung des Unternehmens beteiligt. Sie beschäftigen 

65% aller Erwerbstätigen. Diese Betriebe prägen das Land in wirtschaftlicher, kultureller und gesellschaftlicher Hinsicht. Sie sind robust in der Krise. Allerdings: Die Schwierigkeit, die Nachfolge zu regeln, wird an einer Statistik deutlich: 67 % werden von der 1. auf die 2. Generation übergeben. 32 % folgen von der 2. auf die 3. Generation. Und nur noch 16 % werden von der 4. Generation übernommen. Nur 5% der europäischen Familienunternehmen wurden vor 1900 gegründet. Die durchschnittliche Lebensdauer von Familienunternehmen beträgt nur 24 Jahre. Somit ist die Zeit des Generationswechsels meist eine Krise, ebenso wie starke Wachstumsphasen oder Situationen, in denen langjährige Mitarbeitende die Loyalität in Frage stellen. Auf der persönlichen Ebene spielen sich zwischen Beteiligten oft Dramen ab. Diese Spannungen wirken selbstverständlich auch auf das Management und den Erfolg des Unternehmens. 

Ich selbst hab vor vielen Jahren in eine Unternehmerfamilie, d.h. auch in ein Familienunternehmen geheiratet, Im Lauf der folgenden Jahre ist mein Interesse an Familienunternehmen weiter gewachsen. Persönliche Erlebnisse rund um den Generationenwechsel - mein Mann war inzwischen in 5. Generation ins Unternehmen eingestiegen – und die weitere wirtschaftliche Entwicklung forderten ihn und mich gemeinsam. 

Mich interessiert mit meiner Erfahrung insbesondere, durch welche speziellen Dynamiken dieser Typ von Unternehmen besonders stark in seiner Entwicklung beeinflusst ist, was die Stärke ausmacht bzw. wodurch er besonders verwundbar wird. Wie Familien einzigartig sind, so sind auch familiengeführte Unternehmen speziell. 

Durch die Gleichzeitigkeit von Familie, Unternehmen und Eigentum in diesem Unternehmenstypus ist eine Spannung im System grundgelegt. Bedürfnisse, Logiken und Ziele in den 3 Teilsystemen sind unterschiedlich, teilweise sogar gegenläufig; sie ziehen die Systemvertreter: innen in verschiedene Richtungen: in der emotional aufgeladenen Situation steigt die Spannung. Sachliche, fachliche und konfliktbezogene Themen sind dabei meist mit emotionalen Dynamiken unterlegt, die weitaus tiefer gehen und oft große Betroffenheit auslösen können. Von einer Reihe namhafter langjähriger Familienunternehmen, oft bereits in durch mehrere Generationen geführt, sind die jahrelangen, auch rechtlich ausgetragenen, Auseinandersetzungen bekannt. Nicht selten kosten sie den Bestand des Unternehmens. 

Oft baut sich im Familienunternehmen Spannung auf zwischen dem Grundbedürfnis nach Sicherheit z.B.bei den Übergebern: innen und dem Grundbedürfnis nach Freiheit bei den Nachfolgern: innen:
Das Grundbedürfnis nach Sicherheit bei Übergebern:innen äußert sich z.B. folgendermaßen: 

  • Übergeber erwarten, dass ihre Nachfolger Muster wiederholen, die ihnen vertraut sind, mit denen sie gute Erfahrungen gemacht haben: die Art und Weise, wie das Geschäft gemacht wird, der Umgang mit Kunden: innen, Investitionen, die die Jungen vorantreiben wollen u.ä. Das geht bis in die ganz persönlichen Themen wie:  Die Partnerin ihres Sohnes oder der Partner ihrer Tochter soll aus einer Unternehmerfamilie kommen, einschlägig ausgebildet sein und im Betrieb mitarbeiten.


Das Grundbedürfnis nach Freiheit kann bei (potentiellen) Nachfolgern: innen folgendermaßen zum Ausdruck kommen: 

  • Nachfolger: innen möchten oft ihre Sehnsüchte, Bedürfnisse, Anliegen äußern können und verstanden werden.
  • Sie wollen ihre Vorstellungen und Ziele realisieren
  • Sie wollen frei sein z.B. in der Wahl des Partners bzw. der Partnerin, unabhängig von Herkunft und Beruf. Diese wiederum wollen ihren erlernten Beruf ausüben und nicht unmittelbar im Betrieb mitarbeiten - möglicherweise zur Irritation der übergebenden Eltern.

 

Gelingt es in diesem Spannungsgemenge, den Blick auf die Zugkräfte der beteiligten Bedürfnisse zu richten, diese ernst zu nehmen und in einem Austausch- und Verhandlungsprozess, im Blick auf möglichweise als gemeinsam getragene Ziele neu oder anders zu erfüllen, dann dienen Spannungen im besten Fall als Wegweiser zu einer neuen Zukunft.